Welcher Stahl ist für ein Messer geeignet?


Wissenswertes zur Auswahl des richtigen Stahls für ein Messer.

Autor: Christian Schnura

Ein super geschriebener Text, der trotz seines Informationsgehalts, leicht verständlich bleibt und dir viele Fehler beim Messer-Schmieden erspart!

Absolut lesenswert!

Wir haben Christian im August 2016 besucht. Wenn du willst schaust du dir einfach den Bericht über den Besuch in Köln an.

Update Nov. 2020 : Mittlerweile ist Christian Mitglied der Telchinen-Schmiede, sozusagen die "Außenstellen Köln" 


Im Bild siehst du ein kleines Meisterwerk von Christian Schnura!

Es sind wahre kleine Kunstwerke die er da mit viel Liebe zum Detail anfertigt.

Mir persönlich gefällt an seinen Messern die wunderschöne Mustersteuerung des Damastes.

 

Wenn du mal die Gelegenheit bekommst solch ein Messer in die Hand zu bekommen, dann wirst du erkennen, das Gebrauchswert und Handwerkskunst keine Gegensätze sind. In diesen Messern sind sie eine Einheit! Perfekt!


Gastbeitrag von Christian Schnura


 

Stahl ist nicht gleich Stahl und nicht alle Stähle sind für schneidende Werkzeuge geeignet.
So wird zwischen Baustahl, Qualitätsstahl und Edelstahl unterschieden. Bau- und Qualitätsstähle sind für Werkzeuge in erster Linie ohne Interesse. Bleiben also noch die Edelstähle übrig.
Mit Edelstahl sind alle edlen Stähle gemeint, das sind Stähle mit hohem Reinheitsgrad und niedrigen Anteilen an Phosphor und Schwefel. Hierunter fallen austenitische Stähle, wie der bekannte 18/10-Edelstahl für den rostfreien Kochtopf, sowie ferritische Stähle und ihre Mischformen. Für Messer und Werkzeuge wird jedoch ein martensitischer Edelstahl benötigt.

 

Davon unabhängig unterteilt man alle Edelstähle in unlegierte und legierte Stähle.
Nach der DIN EN 10020 gilt ein Stahl als nicht legiert, wenn alle im Stahl enthaltenen Stoffe -ausser Eisen und Kohlenstoff- unterhalb gewisser Werte bleiben. Zwar können schon Mengen unterhalb dieser Grenzwerte die Eigenschaften des Stahls erheblich beeinflussen, für die Unterscheidung zwischen legiert und unlegiert spielt dies jedoch keine Rolle.

Für die am häufigsten anzutreffenden Legierungselemente sehen die Grenzwerte wie folgt aus
.

Co

Cr

Mn

Mo

Ni

Si

V

W

< 0,1 %

< 0,3 %

< 1,65 %

< 0,08 %

< 0,3 %

< 0,5 %

< 0,1 %

< 0,1 %



Ist von Kohlenstoffstahl die Rede, so ist damit unlegierter Stahl gemeint. Oftmals wird dieser Begriff jedoch auch ganz allgemein für nicht rostfreie Stähle benutzt.

 
 
 

Hat man es mit legiertem Stahl zu tun, so unterscheidet man zwischen hoch und niedrig legiertem Stahl. Sobald die Summe der Legierungselemente über 5% ansteigt (Legierungsanteil), handelt es sich um hochlegierten Stahl. Dieser Unterschied spiegelt sich durch ein X im Kurznamen (s.u.) wieder.
Jedes Legierungselement verändert bestimmte Eigenschaften im Stahl. Mangan erhöht die Durchhärtbarkeit und wandelt den unlegierten Werkzeugstahl, der eigentlich nur in Wasser gehärtet werden kann, in einen Ölhärter. Noch stärker als Mangan verändert Chrom und Molybdän die Härtbarkeit in Richtung Öl- oder sogar Lufthärter. Chrom, Wolfram, Molybdän und Vanadium bilden mit dem Kohlenstoff sogenannte Karbide, welche die Verschleißfestigkeit erhöhen. Cobalt hemmt das Kornwachstum und verfeinert dadurch das Gefüge. Schon in kleinsten Mengen gilt dies auch für Vanadium und Niob. Nickel erhöht die Zähigkeit und vermindert im reinen Zustand die Kohlenstoffdiffusion, Chrom und Nickel in hohen Anteilen erzeugen Rostfreiheit. Wolfram und Cobalt befinden sich in Schnellarbeitsstählen um u.a. die Warmfestigkeit zu erhöhen. Federstähle enthalten oft (nicht immer) über 1% Silizium.
Legierungselemente haben aber nicht nur positive Eigenschaften. So können sie auch die Sprödigkeit erhöhen, das Kornwachstum beschleunigen, das Erzeugen feiner Schneiden verhindern, die Verzunderung beim Schmieden verstärken oder das Schweissen behindern,

Für die Eignung des Stahls als Schneidwerkzeug ist der Anteil von Kohlenstoff von Bedeutung. Ohne ihn ist die Karbidbildung nicht möglich und erst ab einem Gehalt von größer 0,4% C lässt Stahl sich härten. OK, den Bereich der Auslagerungsstähle mal nicht betrachtet.

Ob USA, GUS, Japan, Schweden, Frankreich oder Deutschland; so ziemlich jedes Land hat ein eigenes Normensystem zum Beschreiben seiner Stähle entwickelt. Jedes System versucht, die Legierungsbestandteile und damit die Eigenschaften und den möglichen Verwendungszweck zu beschreiben.
In Deutschland (EU-Norm) werden die Stähle mit einer Werkstoffnummer gekennzeichnet.
Zum Beispiel 1.4112. Die führende 1 mit dem Punkt sagt aus, dass es sich um Stahl oder Stahlguss handelt. Die nächsten zwei Ziffern geben die Stahlgruppe (Sortenklasse) an. Über sie werden die Stahlsorten in Gruppen mit bestimmten Verwendungszwecken oder Eigenschaften oder Legierungsbestandteilen unterteilt. So sagt zum Beispiel die 1.41xx am Anfang aus, dass es sich um einen chemisch beständigen Stahl mit Molybdän als Legierungsanteil handelt. Alle Stähle, die mit 1.40xx bis 1.45xx beginnen gelten als rostfrei. Beim 1.15xx bis 1.18xx handelt es sich um unlegierten Werkzeugstahl, beim 1.2xxx um legierten Werkzeugstahl und beim 1.35xx um einen Wälzlagerstahl. Die letzten zwei Ziffern sind eine reine Zählnummer.

Neben der Werkstoffnummer werden die Stähle auch mit ihrem Kurznamen benannt.
Für 1.4112 lautet der Kurzname X90CrMoV18. Das X steht für hochlegierten Stahl, die 90 gibt den Kohlenstoffgehalt in %/100 an, hier daher 0,9%. Danach folgen die enthaltenen Legierungsbestandteile mit ihrer chemischen Kurzbezeichnung. Also Chrom, Molybdän und Vanadium. Die 18 gibt den Chrom-Anteil (da zuerst Aufgeführt) in % an.
Niedrig legierter Stahl enthält im Kurznamen kein X und die Angabe der Legierungsanteile erfolgt über einen Multiplikator. Für die Elemente Cr, Co, Mn, Ni und Si beträgt der Multiplikator 4, Mo oder V werden mit jedoch mit einem Multiplikator von 10 angegeben. So enthält ein 115CrV3 keine 3% Chrom, sondern gerade mal 0,7%.

Damit nicht genug, viele Firmen führen ihre Stähle unter Firmennamen. Ein 1.1545 wird dann zum Beispiel zu einem Böhler K990.

Bei der Auswahl von Stählen ist der angedachte Verwendungszweck sehr aufschlußreich. War schon oben von bestimmten Stahlgruppen wie unlegiertem Werkzeugstahl oder Kaltarbeitsstahl die Rede, so kann bei Stählen, die nach dem amerikanischen AISI-System benannt sind, der Verwendungszweck bzw. grundlegende Eigenschaften direkt aus dem Stahlnamen abgeleitet werden. Nach AISI benannte Stähle wie W-1, D-2, M-2, L-6 usw. sind wie folgt zu interpretieren:
- W-... Water hardening tool steel (alle unlegierten Werkzeugstähle)
- S-... Shock resisting tool steel (Federstähle u.a.)
- L-... Low alloy type (übersetze ich mal mit niedrig legierter Werkzeugstahl)
- O-... Oil hardening type (ist hier auf Kaltarbeitstahl beschränkt)
- A-... Air hardening type (Lufthärter)
- D-... High carbon high chromium steel (hochlegierter Kaltarbeitsstahl)
- H-... Chromium, Tungsten or Molybdenum based types (Warmarbeitsstahl)
- M-... Molybdenum based type of high speed tool steel (HSS oder Schnellarbeitsstahl)

Das amerikanische SAE-System ist wiederum ähnlich den deutschen Werkstoffnummern aufgebaut. Es besteht aus vier bis fünf Ziffern. Die erste Ziffer gibt die Stahlart an, die zweite Ziffer den Prozentsatz des vorherrschenden Legierungselements und die restlichen Ziffern den Kohlenstoffanteil in %/100.
Ohne auf die ganze Systematik einzugehen, hier nur der SAE 10xx als Beispiel genannt (da er öfters als Materialangabe bei Schaukampfschwertern und dergleichen auftaucht). Mit dieser Nummer wird ein unlegierter Stahl mit max. 1% Mangan und xx% Kohlenstoff bezeichnet.

 
 
 

Hier einige Stähle mit Bezeichnung nach DIN.

 

C

Si

Mn

Cr

Mo

V

1.1545

1,0-1,1

0,1-0,25

0,1-0,25

 

 

 

1.2379

1,5-1,6

0,1-0,4

0,15-0,45

11-12

0,6-0,8

0,9-1,1

1.4034

0,43-0,5

1

1

12,5-14,5

 

 

1.4110

0,48-0,6

1

1

13-15

0,5-0,8

 

1.4112

0,85-0,95

1

1

17-19

0,9-1,3

0,1

1.4116

0,45-0,55

1

1

14-15

0,5-0,8

0,15

1.4125

0,95-1,2

1

1

16-18

0,6

 

 
 
 

Hier im Vergleich einige Stähle, die nicht nach DIN bezeichnet sind.

 

C

Si

Mn

Cr

Mo

V

440A

0,55-0,65

1

1

13,0-14,5

 

0,25

440B

0,75-0,95

1

1

16-18

0,75

 

440C

0,95-1,2

1

1

16-18

0,75

 

ATS34

1,05

0,35

0,4

14

4

 

 
 
 

Beim Betrachten fällt auf, dass die Legierungsbestandteile eines 440A fast denen eines 1.4110 entsprechen.
Ebenso wird der 440B im allgemeinen dem 1.4112, der 440C dem 1.4125 und der rostträge D2 dem 1.2379 gleichgesetzt, obwohl die Angaben zu den Legierungsanteilen je nach Quelle diverse Abweichungen zeigen.

Doch nicht allein die Legierung ist von Bedeutung, auch die Herstellungsart und damit die Güte ist ein wichtiges Kriterium. Bei gleicher Legierung kann ein Stahl unterschiedlich gut für Messerklingen geeignet sein. Typisches Beispiel hierfür ist der C100Cr6, je nach Herstellungsart als Wälzlagerstahl 1.3505 oder Kaltarbeitsstahl 1.2067 erhältlich.
Noch deutlicher wird der Qualitätsunterschied bei pulvermetallurgisch hergestellten Stählen, die bei fast gleichen Legierungsanteilen (siehe ATS34 und RWL34) feiner im Gefüge und höher im Preis sind.

 
 
 

Pulvermetallurgische Stähle, kurz PM-Stähle.

 

C

Si

Mn

Cr

Mo

V

S60V

2,2

0,5

0,5

17,5

0,5

5,75

PMC27

0,6

0,5

0,5

13,5

 

 

RWL34

1,05

0,5

0,5

14

4

0,2

Beim Damasteel® werden zwei unterschiedliche PM-Werkstoffe (PMC27 und RWL34) zu einem Werkstoff zusammengesetzt, der das Aussehen von Damaszenerstahl hat.

 
 
 

Hier noch einige Stahlsorten die ich durch Feuerschweissung zu Damast oder laminierten Werkzeugen verarbeitet. Bei der Auswahl achte ich darauf, daß die Legierungsbestandteile gewisse Grenzen nicht überschreiten, da dadurch die Feuerschweissung extrem erschwert bis unmöglich wird.
Bei diesen Grenzen orientiere ich mich an den Angaben von Roman Landes wie folgt:
 - Silizium: bis 2%
 - Chrom: bis 2%
 - Wolfram: bis 3%
 - Vanadium: bis 3%
Mangan, Nickel und Cobalt kann nach eigenen Erfahrungen problemlos in Mengen bis 12% verarbeitet werden.
Molybdän bis 5% wie beim 1.2709 (Ultrafort) bereitet ebenfalls keine Probleme.

 

C

Si

Mn

Cr

Mo

Ni

W

V

1.2008 (Qualitätsfeile)

1,4

0,25

0,35

0,55

 

 

 

 

1.2210 (Silberstahl)

1,15

0,25

0,3

0,65

 

 

 

0,09

1.2442

1,15

0,2

0,3

0,2

 

 

1,95

 

1.2510 (Sheffield-Stahl)

0,95

0,25

1,2

0,55

 

 

0,55

0,2

1.2519

1,1

0,25

0,5

1,2

 

 

1,3

0,2

1.2714

0,75

0,3

0,4

1,1

0,5

1,65

 

 

1.2767

0,55

0,3

0,8

1,35

0,25

4,1

 

0,09

1.2842 (O-2)

0,9

0,3

2,0

0,35

 

 

 

0,1

1.3505 (Kugellager)

1,0

0,25

0,3

1,5

 

 

 

 

75Ni8 (15N20)

0,75

0,3

0,4

 

 

2,0

 

 

Blauer Papierstahl

1,15

0,15

0,25

0,35

 

 

1,25

 

Weißer Papierstahl

1,15

0,15

 

 

 

 

 

 

Von Interesse sind hier die Stähle die mit 1.27xx beginnen. Diese Werkstoffnummer läßt erkennen das es sich um eine Nickel-Legierung handelt. Hierzu zählt auch der schwedische 15N20. Nickel erzeugt bei der Verarbeitung zu Damaststahl einen auffallend hellen Kontrast. Im Gegensatz dazu erzeugt Mangan (wie der 1.2842) eine sehr dunkle Zeichnung.

 
 
 

Neben Keramiken werden auch Cobalt- und Titanlegierungen zu Messerklingen verarbeitet. Bei diesen Werkstoffen handelt es sich jedoch nicht mehr um Stähle im eigentlichen Sinn.

Weitere Informationen liefert der ‘Stahlschlüssel’, herausgegeben von der Wegst GmBH. Auch als Taschenbuch unter der ISBN: 3-922-599-16-8 erhältlich.

Sehr empfehlenswert ist auch das Buch ‘Die Edelstähle’ von Franz Rapatz welches leider nur noch im Antiquariat erhältlich ist.

P.S. (oder die größten Irrtümer über Messer)
Wunder gibt es nicht, auch wenn der eine oder andere es beschwören möchte.
Nicht jedes Messer / jeder Stahl ist für alle Arbeiten gleich gut geeignet, was daraus resultiert das ein Stahl nicht allen Anforderungen (Feinkörnigkeit, Härte, Verschleißfestigkeit, Zähigkeit) gleichzeitig gerecht werden kann.
Der verwendete Stahl, optimal Wärmebehandelt, ist nur ein Teil. Ebenso wichtig ist die Klingengeometrie für ein qualitativ gutes Ergebnis.
Sägen ist nicht schneiden und jede Klinge wird stumpf, falls sie jemals scharf war.