Das Wochenende ist vorbei und ich sitze am "Tag der deutschen Einheit" über einem Artikel zu den Erlebnissen in Thüringen. Nachdem mein Laptop ein paar Startschwierigkeiten hatte, blieb Zeit gedanklich in die Vergangenheit zu reisen.
Weiß noch, wie ich das erste Mal in die DDR eingereist bin. Mulmiges Gefühl damals an der Grenzmauer, und nun am Freitag sind wir auf der A71 ratzfatz über die ehemalige Grenze mit dem Auto gefahren und besuchen Freunde und Kollegen in Thüringen. Schon eine coole Sache und diesmal hab ich einen überraschenden Einblick zu den Verbindungen der Regionen erhalten, aber fangen wir mal von Anfang an.
Als die Einladung bei uns per Mail eingetroffen ist, haben wir uns riesig gefreut. Mussten da nicht lange überlegen ob wir hinfahren. Eigentlich wollten wir 2017 an keinen Aktionen teilnehmen, da wir ja unsere Schmiede auf Vordermann bringen wollen, aber nach dieser Mail!
Wer uns kennt, weiß, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: "Richtig dabei, oder wir lassen es bleiben!"
Die Einstellung hat so ihre Tücken. Wie kommt z.B. unser Stand und das ganze Werkzeug über die 400km von Ichenhausen nach Steinbach-Hallenberg.
Zudem, alleine am Stand rumstehen wollten wir jetzt auch nicht. Das ist wie früher in der Schule. Sobald du an der Tafel stehst fällt es auf, wenn nix kannst! :-)
Ha, die Idee, wir fragen Christian Schnura, ob er mitmacht. Und, was soll ich sagen, er hat es getan!
Mit dem Bewusstsein , nicht mehr alleine an der Tafel zu stehen, gingen die Vorbereitungen mit Schwung weiter.
Beim Verladen unseres Ausstellungsstandes ist uns ab und zu der Gedanke gekommen, vielleicht das Metier zu wechseln und so Papierzeug (Origami) zu machen. Für den Rücken wäre dies sicherlich schonender!
Am Freitag ging es dann früh Morgens los, Richtung Osten! Christian und Britta aus Köln und wir aus Ichenhausen.
Mit dabei im Tross:
Kaum angekommen, ging es auch schon auf die erste Exkursion, nach Zella-Mehlis, in das "Technische Museum Gesenkschmiede".
Ursprünglich war es im 19. Jahrhundert ein Sägewerk. Kurz vor dem ersten Weltkrieg hat es dann eine Schmiedefirma in eine Gesenkschmiede umgebaut. Die Firma war zentral im Ort ansässig, aber nachdem sie sich "Brettfallhämmer" angeschafft haben, wurde den Besitzern nahegelegt sich einen Platz außerhalb der Stadt zu suchen.
Wenn man so einen Brettfallhammer in Aktion erlebt, ist das kein Wunder, warum die Nachbarschaft nicht so ganz begeistert war.
Gesenkgeschmiedete Bauteile fanden natürlich auch in der Waffenproduktion ihren Einsatz. Nach dem zweiten Weltkrieg durften dann keine Waffen mehr produziert werden und es wanderten viele Firmen aus der Gegend in den Westen ab. Da fiel dann beiläufig der Ort Ulm.
Halt, Ulm, das ist ja bei uns vor der Haustür! Was hat jetzt Ulm mit Zella-Mehlis zu tun?
Einer der bekanntesten Handwaffenhersteller ist damals von Thüringen nach Ulm umgesiedelt, nämlich Walther.
Viele Firmen haben damals die sowjetische Besatzungszone verlassen und im Westen neu angefangen. Was in Thüringen geblieben ist, ist das Wissen. Jetzt, nachdem Deutschland wieder vereinigt ist, werden das Wissen und die Produkte fleißig ausgetauscht und genutzt.
Ein Beispiel für altes/neues Hightech-Wissen aus Thüringen konnten wir bei dem Vortrag "Bunthärten" von Herrn Dr. Jörg Schilling erfahren.
Im Übrigen, die Vorträge waren eine der Highlights an diesem Wochenende. Für jeden was dabei, kurz und knackig, interessant und ideenanregend! Danke an alle Referenten und den Organisatoren, welche die hochkarätige Besetzung "hergeschleppt" haben!
Schau doch mal auf die Webseite www.akademie-des-handwerks.de, auch mal was für absolute Profis im Metallbauer-Bereich. War ein Vortrag von Herrn Dipl.-Ing. Zurheide, über Restauration.
Ach, und beim Vortrag von Herrn Wurm über Konservierung wurde ich in meiner Vorliebe zu Owatrol bestätigt. Es gibt fast nichts, was die Schmiede nicht mit Owatrol behandelt verlässt.
Jetzt sind ja Vorträge ganz nett, aber nicht der hauptsächliche Grund um 400km quer durch die Landschaft zu tuckern.
Wir haben uns einfach in die ungezwungene Atmosphäre im Korkenzieher- und Metallhandwerksmuseum verliebt!
Schmieden, Kollegen und Freunde treffen, gemeinsam eine Bratwurst essen und ein Bier trinken und jede Menge Spaß haben.
Dank der perfekten Organisation und den vielen Helfern konnten wir das dieses Jahr auch als schmiedende Teilnehmer genießen.
Neu hinzugekommen ist die FEILENHAUEREI. Wieder ein Beispiel für die Hingabe und die Liebe, die in diesem Projekt Metallhandwerksmuseum steckt. Sei es die Museumsleiterin Veronika Jung oder der Architekt Uwe Morgenweck, und alle Unterstützer und Helfer, die ich leider noch nicht alle beim Namen kenne, haben hier ein wahres Kleinod geschaffen. Könnt stolz auf euch sein!!!
So, aber nun mal wieder zu uns. Unsere Mädels sind ja der Meinung, dass wir einen viel zu großen Aufwand betreiben, für das bisschen was da hinten raus kommt. Auch werden die "Betriebskosten" für zu hoch erachtet. Jetzt muss man wissen das da nicht Kohle oder Gas gemeint sind, sondern eher die 7 Thüringer Bratwürste und das dazugehörende Bier, und das war nur ich alleine. Zugegeben, Hunger hatte ich nach der zweiten Wurst keinen mehr, aber lecker sind die "Würscht scho´".
Frisch gestärkt, noch vom Vortag ging es dann auch gleich am Morgen zu Werke. Christian zog dann auch gleich einen Eisenklotz aus der Box, um eine Axt zu schmieden. Auf die Frage, "wie willst sie den fertigen?", kam lapidar die Antwort : "Keine Ahnung, aber wird schon werden!"
Mumu und ich sind dann mal wieder dagestanden und glotzten mal wieder entgeistert vor uns hin. Christian ist ein "Pfundskerl" , aber manchmal neigt er etwas zum Understatement! Wird schon werden heißt bei ihm, er ist nur zufrieden, wenn es auf den Millimeter passt!
Um nicht ganz im internen Wettstreit ins Hintertreffen zu geraten, haben Mumu und ich dann ein paar Reste Damast zusammengeklopft und einen 60-Lagen Schichtdamast mit zwei Torsionsdamasten a 40-Lagen zu einem Messer geklopft.
Bei den anderen Schmiedearbeiten konnten wir auch unseren Neuzugang auf Herz und Nieren testen. Unserer Feldschmiede mit Fußbetrieb merkt man ihre ca.70- 80 Jahre nicht an. Ein paarmal zu viel getreten und der Stahl war weg! Wussten nicht, dass wir es mit einem 3KW-Elektromotor von der Nachbaresse aufnehmen können!
Was uns persönlich richtig gefreut hat, war die Anerkennung der Besucher und der Schmiedekollegen. Vor allem die Begeisterung, die wir bei vielen Jugendlichen wecken konnten, freute uns.
Eine besondere Sache möchte ich noch erwähnen, die Anerkennung des IFGS, welcher auch in Person von Herrn Stefan Schneider die Veranstaltung tatkräftig mit unterstützte.
Für alle die nicht nur zum Schmiedefeuer kommen wollen, empfehlen wir dringend, packt die Wanderschuhe ein und/oder genießt die wunderschöne Landschaft, die Sehenswürdigkeiten und das Essen.
Am Abend ging es dann jedenfalls erschöpft und zufrieden mit dem Tageswerk zurück zum Gasthaus "Zur Moosburg" . Gastfreundliche Wirtsleute und weltoffene Gäste am Stammtisch.
Rein in die Gaststube, ein Bier bestellt und herzlich mit den Stammgästen quatschen.
Vom vergrabenen Amboss, damit die Tomaten besser wachsen, bis zu Nietzsche und der Deutung seines Werkes, war alles drin.
Und als wir so dagesessen sind wurde mir klar:
Es ist schön, hier in Steinbach-Hallenberg Gast zu sein, und ich bin verdammt froh, dass das mulmige Gefühl von damals, in der DDR, weg ist und wir einfach nur gemeinsam Lachen und ein Bier trinken können.
Nun lass dich von den Bildern mitreißen und tauche mit uns ins Schmiedefeuer unter der Hallenburg!
Danke Rainer für die tollen Bilder!