Völklinger Hütte

Zwei "Helden der Arbeit" auf der Gichtbühne der Völklinger Hütte, in 27m Höhe.
Zwei "Helden der Arbeit" auf der Gichtbühne der Völklinger Hütte, in 27m Höhe.
Blick auf die Hochöfen und die Winderhitzer der Völklinger Hütte
Blick auf die Hochöfen und die Winderhitzer der Völklinger Hütte

 

Donnerstag ist immer unser "Schmiedetag" und außer Schmieden wird natürlich auch geplaudert, so ähnlich wie bei "Pinky and the Brain" , Welt erobern und so weiter...

 

Jedenfalls ist uns beiden gleichzeitig eine Esse im Netz aufgefallen, die zum Verkauf stand. Nach kurzer Bedenkzeit stand der Kauf fest.

Da die Zeit des Denkens sehr kurz war, wurde der Standort erst hinterher abgefragt. Aha, Saarland, 400km quer durch die Prärie, ist wohl nicht an einem Abend zu schaffen.

 

Lösung -  Ein Familienausflug!

 

Rein zufällig befindet sich doch ganz in der Nähe unseres Zielortes das Weltkulturerbe "Völklinger Hütte"!

Nicht nur für uns Schmiede eine beeindruckender Blick in die Industriegeschichte.

 

6 Hochöfen bilden auf engstem Raum eine Kulisse, die einzigartig in der Welt ist.

Bis 1986 wurde hier Roheisen erzeugt. 1965 arbeiteten hier 17.000 Arbeiter in der Hütte im 3-Schicht-Betrieb.

 

Möchte nicht die Dinge erzählen, welche du eh überall nachlesen kannst, nur ein paar Geschichten rund um den Betrieb in der Hütte.


Der "Koks-Ferrari" ! Mit diesem Eisen-Monster-Truck wurde der noch heiße Koks auf den Eisenplatten zu den Förderbändern geschoben. Wahrlich ein "Heißer Schlitten"!
Der "Koks-Ferrari" ! Mit diesem Eisen-Monster-Truck wurde der noch heiße Koks auf den Eisenplatten zu den Förderbändern geschoben. Wahrlich ein "Heißer Schlitten"!
  • Was macht man so als Arbeiter nach einer staubigen, lauten und heißen Schicht in der Hütte? Man strömt mit ca. 5000 anderen Arbeitern zum Hauptausgang raus und freut sich auf ein Bier! Damit das funktioniert, mussten die ca. 20 Kneipen je 600 Biere verzapfen. Raus aus der Hütte, rein in die Kneipe, Bier rein in die Kehle, raus aus der Kneipe und ab nach Hause - 20 Minuten dauert der Spuk in den Kneipen, dreimal am Tag!
  • In der Völklinger Hütte hat man sich seinen Koks selber gemacht. Der Koks wurde glühend aus den Schächten auf einen Haufen geschoben und mit viel Wasser abgelöscht. Der Boden musste dabei sehr hoher Hitze standhalten. Damit sich die Arbeiter die Füße nicht verbrannt haben, wurden an den Arbeitsschuhen dicke Holzbretter angeschraubt. 
  • Die Hütte machte 24 Stunden lang einen riesen Lärm. Quietschen, Stampfen, Fauchen, Wummern... Als dann 1986 das Werk abgeschaltet wurde lag eine ungekannte Ruhe über der Stadt. Es folgten Schlafstörungen, da keiner der Bewohner die Ruhe gewohnt war.
  • Lange Zeit war Völklingen eine der Städte mit der größten Luftverschmutzung.
  • Auf dem ganzen Werksgelände gab es Teeküchen. Jeder Arbeiter hatte "Anspruch" auf Versorgung mit Tee. Im Durchschnitt benötigte ein Arbeiter 4-6 Liter Tee pro Schicht.

Das ist der Mittelteil eines Gichtgasmotors, welcher die Lüfter für die Hochöfen antreibt.
Das ist der Mittelteil eines Gichtgasmotors, welcher die Lüfter für die Hochöfen antreibt.
  • Gichtgas, das ist dieses brennbare Gasgemisch, dass am oberen Ende eines Hochofens (der Gicht) austritt. Jeder Schmied oder Steakgriller kennt den Rauch beim Anzünden der Kohle. Jetzt stellst dir das nur ein wenig größer vor und schon hast eine Vorstellung von dem Zeug was da oben raus kam. Damit die Motoren in der Gebläsehalle störungsfrei laufen und nicht explodierten musste man die Mischung, den Möller, exakt abstimmen. Problem dabei ist, dass man den Hochofen nicht so schnell nachjustieren kann, wie z.B. einen Elektroherd. Dann wurde das Gichtgas abgelassen und so verbrannt = Staub, Qualm.. über der Stadt

Blick auf den inneren Deckel einer der Hochöfen der Völklinger Hütte
Blick auf den inneren Deckel einer der Hochöfen der Völklinger Hütte
  • Auf der Gichtbühne, der Ort an dem die Hochöfen mit dem Erzgemisch (Möller) bestückt wurden, bestand jederzeit die Gefahr einer Kohlenmonoxid-Vergiftung. Auch waren Explosionen durch das Gichtgas möglich. Damit eine gute Durchlüftung möglich war, wurde auf eine Überdachung verzichtet. Die 3-6 Arbeiter, die je einen der 6 Hochöfen mit Möller bestückten, waren also nicht nur Hitze und Gas ausgesetzt, sondern auch Wind und Wetter.

  • Normalerweise kommt keiner auf die Idee auf so engem Raum 6 Hochöfen zu bauen. Üblicherweise wird ein Sicherheitsabstand von 1,5km -2km eingehalten. Die Gefahr von Explosionen oder anderen Gefahren wird so vermindert. Die Leistung, die die Arbeiter erbracht haben, damit diese Hütte störungsarm lief, nötigt jedem Respekt ab!  Diese geballte Enge ist einer der Gründe warum die Völklinger Hütte Weltkulturdenkmal wurde.

  • Die Natur kehrt zurück! Das ganze Areal der Völklinger Hütte zu erhalten ist unmöglich. Bisher hat der Erhalt des Weltkulturerbes ca. 100 Millionen Euro benötigt. Das was da so rostig aussieht, ist in Wirklichkeit eine Spezialfarbe, welche die Hochöfen und Winderhitzer vor Korrosion schützt. Andere Bereiche der Hütte, wie die Kokserei, wurden der Natur überlassen, und sieh da, sie kehrt mit Überraschungen zurück. Mit den Erzen aus aller Welt kamen auch Pflanzensamen aus diesen Teilen der Erde. Wo früher, während die Hütte noch in Betrieb war, kein einziger Grashalm sich ansiedeln konnte, zeigen sich nun die ersten Anzeichen eines Urwaldes.

  • Im "Paradies", so nennen Sie den Teil der Hütte, welcher der Natur überlassen wurde, kehren nicht nur Pflanzen ein, sondern auch Künstler. Auf dem ganzen Areal finden sich Kunstwerke, die zum Staunen und träumen einladen.

Auf jeden Fall hat sich der Besuch in der Völklinger Hütte als absolutes und kurzweiliges Highlight entpuppt. Wir werden wieder kommen, mit mehr Zeit!

Auch lohnt es sich die Saar-Schmiede und das Saar-Stahl-Werk zu besichtigen!

 

Bis zum nächsten Mal!



Noch ein kleiner Tipp!

Es gibt da einen tollen Bildband mit vielen Erklärungen über die Hütte und den Betriebsalltag, welches man auch im Buchladen kaufen kann. Wer sich also die Sache kurzweilig vor oder nach einem Besuch der Völklinger Hütte anschauen will, unbedingt besorgen!

"Die Völklinger Hütte"

2000 fotografiert von Franz Mörscher

ISBN 3-411-11017-1